Kosmos Verlag/Kay Elzner
Sternbild des Monats

Die Fische

Figürliche Darstellung der Fische
(Bild: Kosmos Verlag/Kay Elzner)

Wer kam auf die Idee, zwei Fischschwänze mit einer Schnur zu verbinden und an den Himmel zu stellen? Dass bereits im alten Griechenland Verwirrung über dieses Sternbild bestand, zeigt Susanne M. Hoffmann in ihrem Buch „Wie der Löwe an den Himmel kam“:

 

Zwei Fische, die mit einem Band verknotet sind: Dieses Bild ist unverständlich und das war es auch bereits in der Antike. Als Tierkreissternbild kam es aus Mesopotamien und in der zweiten Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrtausends gab es dort sonderbare Neudeutungen, die auch damals vermutlich nicht alle Menschen verstanden. Aus Uruk sind Siegeldarstellungen bekannt, die einen Fisch und einen Vogel zeigen, die mit einem spitzzulaufenden Band verbunden sind. Das Bild heißt Schwalbenfisch und es könnte sich um eine Visualisierung eines Wortes handeln – Schwalbe und Fisch, verknüpft mit einem Band. Tatsächlich gibt es heute eine bestimmte Art fliegender Fische im Mittelmeer, die so heißt; ob diese jedoch mit der Bezeichnung gemeint ist, verliert sich im Dunkel der Geschichte. In Uruk mag das Sternbild also in seleukidischer Zeit Schwalbenfisch geheißen haben, aber in Babylon hatte es diesen Namen soweit wir wissen zu keiner Zeit. In den Tagebüchern der mathematischen Astronomie werden die Namen stets abgekürzt und dort heißt es lediglich Schwänze. Gehen wir ein Jahrtausend zurück und schauen in MUL.APIN nach, finden wir den vollständigen Namen: Schwänze der Riesenschwalbe.

Das V-förmige Band ist also eigentlich ein Schwalbenschwanz. Es ist derjenige Teil des alten Sternbilds Riesenschwalbe, durch den Sonne, Mond und Planeten wandern. Hier erkennt man eine sukzessive Umdeutung der Figur im Laufe der Jahrhunderte. Im zweiten Jahrtausend v. Chr. hieß das Sternbild Riesenschwalbe und war ein Kalenderzeichen, da man mit den heliakischen Aufgängen den Monat bestimmte. Im Herbst, wenn die Schwalben nach Süden fliegen, stand das Sternbild etwa die ganze Nacht am Himmel – dass sich daraus eine Symbolik ableitete, ist jedoch nicht belegt. Im ersten Jahrtausend v. Chr. wurde in der Stadt Babylon das Projekt einer „astronomischen Datenbank“ entwickelt, das sogenannte Tagebuchprojekt, in dem man den Datensatz erhob, auf dessen Grundlage Kausalzusammenhänge festgestellt werden konnten. Der technische Stil der Notation dieses Datensatzes bevorzugt Abkürzungen. Aus der Gruppe Schwänze der Riesenschwalbe wird technisch das Sternbild und Sternzeichen Schwänze.

Da die Bedeutung in Vergessenheit geraten ist – spätestens durch die Rezeption der Griechen – scheint nun bildlich vorgegangen worden zu sein: Das benachbarte mesopotamische Sternbild Großartiger Gott (Ea) wurde oft mit einem Vogel auf dem Arm dargestellt. Dieser Vogel wurde anschließend als kleinere Schwalbe im Schwalbenfisch abgespalten aufgegriffen. Das könnte rein grafisch erklärt werden: Der Fisch des Schwalbenfisches dürfte aus der nord-mesopotamischen oder syrischen Variante der Andromeda stammen, deren Legende dort mit einem großen Fisch oder Delfin verknüpft ist. Die fremden Götter Ischtar und Ea wurden also in der griechischen Kultur zu Heroen umgedeutet und ihre Attributtiere zu einem neuen Sternbild gruppiert, das sich als Wortspiel entpuppt: Die Gattung Schwalbenfisch ist als Schwalbe und Fisch gezeichnet.

Sollten die Fische ein griechisches Sternbild gewesen sein, könnten sie wegen des babylonischen Schwalbenschwanzes miteinander verbunden worden sein. Alternativ wurde ein mesopotamisches Bild von Vogel und Fisch später griechisch in zwei Fische umgedeutet. Das Band, das sie verbindet, war dabei bereits seit fast einem Jahrtausend unverstanden und in römischer Zeit erfindet man die Geschichte, dass das Band die Visualisierung ihrer Liebe zueinander sei.

Auf den Spuren der Sternbilder

Reich illustriert und fachlich fundiert: Der umfassende Atlas zur Geschichte aller Sternbilder.

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